Überwachung in öffentlichen Verkehrsmitteln

Die Datenschutzbeauftragte in NRW kämpft gegen Massenüberwachung in öffentlichen Verkehrsmitteln. Ihre Argumente gelten überall.
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Ein Haltegriff in einer S-Bahn.

Helga Block, die Datenschutzbeauftragte in NRW kämpft gegen Massenüberwachung in öffentlichen Verkehrsmitteln. Ihre Argumente gelten überall.

Jetzt sieht auch die NRW-Datenschutzbehörde nicht mehr tatenlos dem Überwachungswahn der Verkehrsunternehmen zu. Das geht aus einer Vereinbarung zur Videoüberwachung in öffentlichen Verkehrsmitteln eindeutig hervor:

Die Videobeobachtung darf nicht der Regelfall sein (…) Quelle: Empfehlungen zu Videoüberwachung in öffentlichen Verkehrsmitteln (PDF, 133 KB)

Fahrgastrechte werden ignoriert

Egal ob U-Bahn, Straßenbahn oder überregionale Züge, überall sind Kameras installiert, und unsere Erfahrung zeigt, dass die Verkehrsunternehmen nicht wirklich ein Interesse haben, die Fahrgäste rechtmäßig über den Umgang mit den Daten, geschweige denn über etwaige Widerspruchsrechte, aufzuklären.
Von informationeller Selbstbestimmung und persönlicher Unversehrtheit kann da keine Rede sein.

Muss sich vermummen, wer in Ruhe reisen will?

In Asien wehren sich die Menschen gegen diese Massenüberwachung durch das Tragen von Mundschutz und Sonnenbrillen. Ja, der Mundschutz wird in Asien nicht nur aus gesundheitlichen Gründen getragen. Niemand kann das Tragen eines Mundschutzes verbieten, daher werden sie auch gern zur Vermummung genutzt. Aber kann das die Lösung sein?

Kein Interesse am Schutz der Privatsphäre

Wir haben im Sommer 2016 versucht von zwölf Verkehrsunternehmen das gesetzlich vorgeschriebene, öffentliche Verfahrensverzeichnis zur Videoüberwachung zu bekommen. Erhalten haben wir bis heute kein einziges. Bei einigen Unternehmen war es uns nicht einmal möglich, die Kontaktdaten der Datenschutzbeauftragten herauszufinden, ohne das Unternehmen zu kontaktieren. Ein Unternehmen antwortete uns auf telefonische Nachfrage zu den Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten, dass dieser seit zwei Jahren verstorben sei.

Behörden erkennen das Problem

Bezüglich Nordwestbahn, Westfalenbahn und Mobiel (Bielefelder Verkehrsunternehmen) schalteten wir die Datenschutz-Behörden in Niedersachsen und NRW ein. Hier sind wir als Fahrgäste selbst massiv betroffen. Von beiden Behörden bekamen wir eine absolut positive Resonanz.

Bei unseren Recherchen zur Nordwestbahn erfuhren wir dann aus der Neuen Osnabrücker Zeitung, dass die niedersächsische Behörde schon länger gegen die Kameras in den Nordwestbahnen vorgeht. Die Nordwestbahn weigert sich aber strikt, die Kameras zu entfernen.

Aus der Vereinbarung, die jetzt von der Datenschutz-Behörde in NRW veröffentlicht wurde, geht hervor, dass der NRW-Behörde die Videoüberwachung genauso ein Dorn im Auge ist, wie der Behörde in Niedersachsen:

„Die Videobeobachtung darf nicht der Regelfall sein, sondern nur stattfinden, wenn sie notwendig ist. Es sollte auch geprüft werden, ob den Fahrgästen die Möglichkeit einer unbeobachteten Nutzung des Verkehrsmittels eingeräumt werden kann. Daher verlangt der Einbau von Videokameras in den Verkehrsmitteln eine Einzelfallprüfung mit schriftlichem Vermerk über das Ergebnis; es darf keine automatische Ausstattung aller Verkehrsmittel mit Videokameras stattfinden. Das Erfordernis einer Fortführung der Videoüberwachung ist mindestens alle zwei Jahre festzustellen und zu begründen.“ Quelle: Empfehlungen zu Videoüberwachung in öffentlichen Verkehrsmitteln (PDF, 133 KB)

Keine Überwachung muss der Standard sein

Der Standard muss „keine Videoüberwachung“ sein. Jede Strecke, jedes Fahrzeug und die Fahrtzeiten sind einzeln zu prüfen. Denn nach wie vor wird das Fahren mit Bahn und Bus gefährlicher dargestellt, als es ist. Nur äußerst selten passiert etwas – im Grunde lohnt der Überwachungsaufwand gar nicht. Dass viele Menschen sich allgemein unsicher fühlen, wenn Sie sich außerhalb ihrer eigenen vier Wände bewegen und das auf „Ängste vor Kriminalität“ pro­ji­zie­ren, kann nicht Anlass für mehr Massenüberwachung sein. Hier, so kommentiert Digitalcourage-Vorsitzender padeluun, müssen Menschen lernen, ihre Ängste und Befürchtungen zu überwinden – notfalls mit therapeutischer Hilfe. „Das gehört zum Leben lernen dazu.“

Kameras verhindern keine Verbrechen. Wenn Betrunkene eine Person belästigen, fällt die Kamera nicht von der Decke und schlägt die Betrunkenen in die Flucht. Ein Schaffner oder eine Schaffnerin könnte hier die Polizei alarmieren. Wir brauchen mehr Personal in den Bahnen und wohl auch mehr freundliche Zivilcourage, wenn bedrohliche Situationen in Bus und Bahn zu beobachten sind.

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