Welche Risiken bringt eine breite Einführung von RFID?

Hier finden Sie alles zu technischen und sozialen Risiken und Nebenwirkungen der RFID-Technologie.

Was ist Tracken?

Durch eindeutige Nummern und kontaktlose Auslesbarkeit kann ein Gegenstand bei jedem Passieren eines Lesegerätes registriert werden. Diese Lesegeräte oder Scanner können versteckt angebracht werden und somit kann, ohne dass man es weiß oder mitbekommt, der Weg verfolgt werden, den man geht. Natürlich nur so lange Scanner in der Nähe sind. Darüber kann beispielsweise Ihr Einkaufsverhalten erfasst werden: Wie lange verweilen Sie vor einem Regal, welchen Bereich des Ladens meiden Sie u.v.m.

Können Kaufgewohnheiten gespeichert werden?

Ja.

Das wird spätestens zu dem Zeitpunkt der Fall sein, wenn in Kundenkarten auch RFID enthalten sind. Derzeit ist es aber auch schon so möglich, wenn man beispielsweise mit EC-Karte zahlt oder sich mittels der Payback-Datensammelkarte als besonders leichtgläubiger Kunde ausweist. Damit können Sie bislang aber erst an der Kasse, also nach Ihrem Einkauf beim Bezahlvorgang, identifiziert werden. Mit RFID können Sie bereits vorher (durch ein Lesegerät im Eingangsbereich) erkannt werden. So kann dann nicht nur gespeichert werden, was Sie gekauft haben, sondern mittels RFID sogar, was Sie sich nur angeschaut haben ("Kundin nahm Panthene-Shampoo aus dem Regal und hat es wieder zurückgestellt" oder "Kunde stand eine halbe Stunde vor dem Zeitungsregal und hat in Titel a, f und z geblättert").

Mittels Ihrer Kundennummer können die Preise individuell so angepasst werden, dass Sie genau so viel bezahlen, dass Sie gerade noch nicht den Laden wechseln. Was bedeuten kann, dass Sie, als reicherer Single mit viel Zeit und schnittigem Sportwagen weniger bezahlen, als die alleinerziehende berufstätige Mutter ohne Auto. Ihre Kaufgewohnheiten sagen viel über Sie aus. Und interessant sind Sie für den Laden, wenn Sie Unnützes mit viel Gewinnspanne kaufen, statt "nur", wenn auch "treu", Ihren täglichen Bedarf an Milch, Eiern, Brot und Butter zu decken. Über speziell für Sie zugeschnittene Angebote werden Sie dahingehend manipuliert, mehr Gewinnspanne im Laden zu lassen. Dies wird stets zu Ihrem Nachteil sein; denn sonst wären diese ausgefuchsten Mechanismen nicht notwendig.

Wer würde sich für die Daten interessieren?

Diese Daten interessieren den Handel, der seine Werbung und Standorte optimieren möchte. Wenn aber erst einmal Daten in großem Stil erfasst wurden, werden sich auch andere Interessenten finden, beispielsweise das Ordnungsamt (z.B. wenn Müll mit RFID auf wilden Deponien entsorgt wurde) oder Strafverfolgungsbehörden (z.B. wenn RFID in Geldscheine eingebaut würde - siehe auch weiter unten "Stimmt es, dass RFID-Chips in Euro-Geldscheinen eingesetzt werden sollen?").

Die Unternehmen, die RFID einführen wollen, argumentieren gegenüber den Menschen, die wegen des Datenschutzes besorgt sind, dass Unternehmen niemals ihre Daten an andere Unternehmen weiter geben würden. Hinter den Kulissen ist das aber ganz klar die Absicht, die hinter der massiven Einführung von RFID und dem damit einhergehenden EPC (Elektronischer Produktkode) steht: Der Austausch von diesen Daten über Unternehmensgrenzen hinweg. Damit das funktionieren kann und ein Produkt genau nachverfolgt werden kann, wird das ONS (Object Name System) aufgebaut. Es funktioniert ähnlich, wie ein Rechner im Internet gefunden werden kann. Im Internet sprechen wir vom DNS (Domain Name System).

Nach der Einigung von UCC und EAN International werden Linda Dilman (CIO Wal-Mart), Zygmunt Mierdorf (Vorstand Metro Group), Steve David (CIO P&G), Dick Cantwell (Gillette), Prof. Sanjay Sarma (Auto-ID Center MIT), EPCglobal-Chefin Margaret Fitzgerald sowie als Vertreter nationaler EAN-Organisationen Steve Coussins (UK), Hiroshi Sakai (Japan) und Sergio Ribinik (Brasilien) dem Board von EPCglobal angehören. Die Vertretung im Aufsichtsrat unterstreicht, welche Bedeutung Wal-Mart, Metro, Procter und Gillette der Zukunftstechnik RFID, aber auch ihrer einheitlichen Umsetzung im Rahmen von globalen Standards zubilligen.

Wenn wir uns vor Augen halten, dass die amerikanische Regierung plötzlich beginnt, sich für die Speisepläne von Flugpassagieren zu interessieren, dann wäre es vermessen anzunehmen, dass sich Regierungen und ihre angeschlossenen Interessenten nicht für diese Daten interessieren würden. Zum Zeitpunkt, da wir diese Zeilen schreiben, wird täglich von Politikern eine neue Forderung im Kampf gegen die Privatsphäre aufgestellt. Allerdings nennen diese das "Kampf gegen den Terrorismus".

Ist Preisdiskriminierung möglich?

Ja.

Mit einer Kombination von RFID in Kundenkarten und RFID in den Artikeln ist es möglich, Preise in Geschäften auf den Kunden zuzuschneiden. Dies ist mit RFID sehr einfach, da sie kontaktlos auslesbar sind und mittels Tag in der Kundenkarte der Kunde erkannt wird und schon andere Preise ausgezeichnet werden. Dagegen gibt es bisher keine Gesetze. Das Rabattgesetz, das so etwas reglementiert hätte, ist in Deutschland holterdiepolter abgeschafft worden, ohne dass sich jemand gefragt hatte, warum das eigentlich mal eingeführt worden ist.

Ich zahle schon seit Jahren alles mit meiner EC- oder Kreditkarte und fühle mich auch dadurch nicht bedroht.

Natürlich könnte auch dadurch herausgefunden werden, was Sie einkaufen. Aber RFID beispielsweise in der Kundenkarte ermöglichen schon beim Betreten des Ladens eine Erkennung des Kunden. So könnte man herausfinden, in welchen Abteilungen Sie sich aufhalten und natürlich auch was Sie einkaufen und entsprechend auf Sie reagieren und gezielt einwirken. Denken Sie daran: Manipulation funktioniert, weil Sie denken, dass das ja alles ganz praktisch sei. Sie werden nicht oder erst nach langem Nachdenken merken, dass Sie eine bestimmte Sache eigentlich gar nicht wollen. Ein Beispiel gefällig? Viele Menschen antworten auf die Frage, ob sie für oder gegen Videoüberwachung für mehr Sicherheit seien, dass sie nichts gegen Videoüberwachung hätten. Erst auf die Frage, was Sie denn wollen "Videoüberwachung" oder "Sicherheit", fällt ihnen auf, dass Sie mit der ersten Frage bereits manipuliert worden sind, weil Sicherheit und Videoüberwachung gleich gesetzt worden sind. Es gibt nämlich - wer hätte es gedacht - derzeit keine Erkenntnisse, die feststellen, dass Videoüberwachung die Sicherheit erhöht.

Das EC-Kartensystem war ein sehr sicheres System, das noch in der Tradition der Banken und Bankgeheimnisse entwickelt worden ist. Das EC-Kartensystem war auch das sicherste Kartensystem der Welt. Mittlerweile ist dieses System abgeschafft worden. Die Kreditkartenfirmen haben sich bisher (zumindest in Deutschland) noch nicht getraut, offen ihr Begehren, das Verkaufen von Zahlungsinformationen, öffentlich zu machen. Anders American Express, die das als ihr Kerngeschäft bezeichnen. VISA ist bei allen "Schweineren" mit an vorderster Front dabei -- mittels der sogenannten Direktbanken und den gekoppelten Kreditkartenverträgen haben die meisten Menschen sowieso schon auf das Bankgeheimnis verzichtet -- ohne sich dessen bewußt zu sein. In Ihren Verträgen steht unter der in Deutschland so genannten "Schufa-Klausel" eine ganze Reihe von Adress- und Scoring-Unternehmen, an die die Daten weiter gereicht werden.

Was ist an RFID schlimmer als an Handys? (Stichwort Ortung)

RFID können nur über eine relativ kleine Entfernung ausgelesen werden, die ca. 1 bis 2 Meter beträgt. Also kann man zwar keine entfernte Überwachung wie bei Handys durchführen, dafür aber eine sehr genaue Überwachung auf begrenztem Raum (wenige Meter statt mehrere hundert Meter). Für eine Ortung über die Reichweite eines Lesegerätes hinaus reicht es, einfach mehrere Lesegeräte an strategisch günstigen Orten, wie Engstellen an Ein- und Ausgängen oder in Regale eingebaut, aufzustellen und darüber alle nötigen Informationen für eine Ortung zu bekommen. Bedenken Sie, dass nach und nach solche Lesegeräte auch an Bushaltestellen, Parkhäusern, Bahnhöfen, Hörsälen installiert werden. Neben anderen Medien, die zur Ortung genutzt werden können (Handy, Internet etc.).

Achja: Ein Handy kann ich abstellen oder abbestellen. RFID nicht.

Wie sieht es mit der Strahlung aus?

Die RFID-Technik arbeitet mit Funkwellen, also Strahlung. Wenn diese Technik weitreichend eingeführt wird, wird auch die Strahlenmenge, der Sie ausgesetzt sein werden, zunehmen. Je nach verwendetem Typus und gewünschter Reichweite werden mehr oder weniger starke Strahlen benötigt und ausgesendet. Über die Gefährlichkeit der Strahlung ist -- ähnlich wie bei der Abstrahlung von Handys und Handymasten -- noch nicht viel bekannt geworden, jedoch gibt es Bedenken. Für einige Test- und Versuchsaufbauten (nicht nur in abgeschirmten Labors) wurden Ausnahmegenehmigungen beantragt und vorerst bewilligt, damit die normalerweise als gefährlich eingestufte gesetzliche Strahlungsgrenze bei den Tests überschritten werden darf. Dies trifft in besonders starkem Ausmaß die Angestellten, die tagtäglich im Strahlenbereich arbeiten müssen, aber natürlich auch jeden Kunden.

Wie steht es um die Arbeitsplätze?

Die RFID-Technik ist dafür ausgelegt, viele Aufgaben zu automatisieren. Möglicherweise werden zuerst noch ein paar Arbeitsplätze geschaffen, z.B. um die Kundschaft über die neue Technik aufzuklären. Auf lange Sicht jedoch werden Arbeitsplätze in der Logistikkette (z.B. bei Inventur oder Datenerfassung), aber auch beim Verkaufspersonal verloren gehen: Die neue Technik soll ja gerade möglichst viel schließlich billiger machen - und Personal ist oft ein recht teurer Faktor (so hart wird das tatsächlich von vielen Managern gesehen).

Was fordert Digitalcourage?

Unsere Forderungen wurden in unserem Positionspapier, damals noch im Namen des FoeBud, veröffentlicht.

Was kann ich gegen RFID tun?

Wenn sie feststellen, dass bestimmte Läden RFID verwenden, sollten Sie diesen deutlich zu verstehen geben, dass Sie mit dieser Geschäftspolitik nicht einverstanden sind und sich eventuell (falls nichts dagegen unternommen wird beispielsweise) einen anderen Laden für Ihre Einkäufe suchen.

Weiterführende Links

Wikipedia: RFID


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